Interview Brustkrebs

„Auch mit Krebs ist das Leben toll“

Von Tobias Lemser · 2024

Porträt: Simone Heinen

Mit der Nachricht „Ihr Tumor ist leider bösartig“ im Januar 2023 veränderte sich das Leben von Simone Heinen schlagartig. Trotz der Diagnose Brustkrebs war Aufgeben für die vierfache Mutter aus Bonn nie eine Option. Im Gegenteil: Die 36-Jährige kämpfte sich durch den Therapiemarathon – vor allem für ihre Kinder.

Frau Heinen, Ihr viertes Kind war gerade sechs Monate alt, als Sie die Diagnose erhielten. Wie wurde der Krebs entdeckt?

Während der Stillzeit bemerkte ich, wie aus meiner linken Brust ein bernsteinfarbenes Sekret heraustrat. Ich ging zunächst von einer Entzündung aus und dachte mir nichts dabei. Als sich das Ganze mehrfach wiederholte und sich daraus blutartiges Sekret entwickelte, wurde ich unsicher und ging zu meinem Gynäkologen. Nach Ultraschall, Mammografie und einer Stanzbiopsie teilte man mir am Tag danach telefonisch mit, fünf kleine Krebsherde zu haben.

Quasi allein zu Hause kontaktiert zu werden – wie konnten Sie damit umgehen?

Ich war total geschockt und wie in Trance. Ich konnte es gar nicht realisieren – auch weil ich keine Schmerzen hatte. Hinzu kam, dass ich zwei Tage lang keine weiteren Infos bekam – weder zum Stadium noch zu den Heilungschancen. Das hat mich völlig überfordert.

Wie stand es um die Heilungschancen?

Als es hieß, dass Brustkrebs heute gut behandelbar ist, ist mir die größte Last von den Schultern gefallen. Jedoch war der Krebs auch nicht mehr in einem ganz frühen Stadium. Die Behandlung begann mit einer Antihormontherapie. Kurz darauf folgten eine Mastektomie ohne Brustwiederaufbau – das war mein Wunsch – sowie 28 Bestrahlungen. 

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Vier Kinder zu haben, macht die Situation noch erheblich schwerer …

Ja, die erste Zeit war schwierig. Ich dachte, meine Kinder nicht aufwachsen sehen zu können. Dadurch, dass ich jedoch viel mit ihnen zu tun hatte, konnte ich kaum über den Krebs nachdenken.

Was hat Sie durch die langwierige Therapie getragen?

Meine Familie. Sie war letztlich der entscheidende Anker. Aber auch der Kontakt zu Freunden und die Eifel, in der ich geboren bin, haben mir sehr geholfen. Dort dachte ich kaum an die Krankheit. Jeden Abend schrieb ich auf, was ich Schönes erlebt habe. Das stimmte mich froh und gab mir zusätzlich Kraft, genauso wie der Song ,,Kämpferherz“ von Puls, den ich während der Therapie oft hörte. Zudem hatte ich ein tolles Ärzteteam, das mir Mut machte. Es erlaubte mir etwa, meine Kinder mit zur Strahlentherapie zu nehmen, wo man sich in der Zeit toll um sie kümmerte.

Wie geht es Ihnen heute?

Sehr gut. Ich bin zwar noch immer in der Nachsorge – muss alle drei Monate zu meinem Gynäkologen und Onkologen. Alle Werte sind jedoch unauffällig.

Was sollte anderen betroffenen Frauen Mut machen?

Auch wenn die Diagnose zunächst ein Schock ist, sortiert sich das Gedankenkarussell mit jedem Therapieschritt. Auch mit Krebs ist das Leben toll. Es ist ja nicht direkt das Ende, so wie ich es am Anfang direkt dachte. Aus tiefem Schmerz, Trauer und Frust habe ich versucht, Macht zu entwickeln, die Therapie zu schaffen und die Krankheit zu besiegen. Meine Devise lautet: Jetzt erst recht, du kriegst mich nicht!

Schon gewusst?

Die Initiative „discovering hands“ bildet blinde und sehbehinderte Frauen zu sogenannten Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen (MTUs) aus. Sie verfügen aufgrund ihrer Einschränkung beim Sehsinn über einen außerordentlich guten Tastsinn, der sie bereits kleinste Gewebeveränderungen beziehungsweise Knoten in der Brust von wenigen Millimetern aufspüren lässt. Die Taktilografie ist nicht dazu gedacht, die Mammografie zu ersetzen, sondern ist eine ergänzende Diagnoseform in der Brustkrebsfrüherkennung für alle Altersgruppen.

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